23.01.2020

Begegnungen: Ein Mitreisender aus Tschulym

Wer in Deutschland hat schon mal von der Stadt Tschulym in der Region Nowosibirsk - der drittgrößten Stadt Russlands - gehört? Ich wusste von der Stadt genau so viel oder so wenig, wie von der Stadt Burladingen im Zollernalbkreis, bis ich mal zufällig dort mit dem Auto vorbei fahren musste und im Cafe mit jemandem über die Stadt gesprochen habe.



Es war also einmal im Januar 2019 … Ich war mit dem Passagierzug der russischen Eisenbahngesellschaft RZD Moskau-Nowokusnezk in einem 4-Betten-Coupe-Schlafwagon der zweiten Klasse unterwegs. Der Zufall wollte es so, dass ich allein im Coupe war. Nach zwei Stunden Fahrt von der Station Barabinsk, um ca. 22 Uhr, steigt ein ziemlich großer und kräftig gebauter Herr, Mitte Vierzig, in den Wagon und klopft an meiner Coupe-Tür. Ich öffne, er kommt grimmig und schweigend herein... Ich überlege mir inzwischen, ob es die richtige Wahl war, mit dem Zug zu reisen, weil ich nicht weiß, was ich von diesem gimmigen und schweigsamen Mann halten und ob ich wieder sorglos weiter schlafen kann und soll. Bis zur Zielstation sind es noch 10 Stunden Fahrt, also die ganze Nacht. Auf meinem Bett sitzend, Platz (Polka) 23, beobachte ich die Situation und tue so, als ob ich durchs Fenster schaue, dabei ist das Fensterglas so gut wie komplett von außen vereist, bei -20 Grad Celsius und  Zuggeschwindigkeit um die 100 km/h. Zum Glück fällt mir dabei ein, dass ich ein Smartphone dabei habe, auf dem ich wenigstens meine Urlaubsfotos anschauen kann, da wegen der vielen Funklöchern auf der Strecke zwischen Barabinsk und Nowosibirsk das Internet-Surfen eh keinen Spaß macht.

Der Herr macht sein Bett, d. h. sein Bett, die Bettdecke und den Kissen bezieht er, wie ich es bereits vorher gemacht habe, mit der Bettwäsche, die im Ticketpreis inbegriffen ist und von der Prowodniza - der Zugbegleiterin – dem Passagier gebracht wird. Er zieht sich um, bereitet sich zum Schlaf vor. Nach dem er sich umgezogen hat, dreht es sich zu mir um und sagt mit tiefer Stimme: “Möchten wir uns bekannt machen?“ Mir fällt ein Stein vom Herzen, dieser Riese kann sprechen und klingt sehr freundlich und zuvorkommend. Ein Glück, dass er nicht länger damit gewartet hat, mich anzusprechen, dachte ich erleichtert. So habe ich einen Russen Andrej, einem Eisenbahnangestellten aus Tschulym kennen gelernt, mit dem ich eine sehr schöne, über drei Stunden dauernde Unterhaltung über sein Leben in der Ortschaft Tschulym, seine Arbeit bei der Eisenbahngesellschaft sowie sein Leben in Russland und meins in Deutschland führen durfte.

Er war eine sehr interessante und angenehme Begegnung.

Erstveröffentlichung Januar 2019, Aktualisierung Januar 2020.

(C) go-to-russia Blog 

1 Kommentar:

  1. Es ist immer wieder schön Erzählungen über solche Begegnungen zu erfahren!

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